Mittwoch, 23. Mai 2018

Marios Bericht vom Folk Club Nr. 91 am 4. Mai 2018


дамы и господа          Добрый вечер


Nun sind wir mit der Digitalisierung des Folk Club Bonn noch nicht so weit, dass ihr euch die Texte des Blogs vorlesen lassen könnt, aber einen kleinen Eindruck vermittelt die Überschrift vielleicht schon, wie Master John den 91. Folk Club eröffnet hat. Eine Hommage an den special Guest Daria Kulesh, der fantastischen Liedermacherin mit russischen und inguschetischen Wurzeln (für alle, die es nicht sowieso wissen: Inguschetien (Ингушетия) oder die Inguschetische Republik oder auch inguschisch Ghalghai Mochk (Ghalghaiche) ist eine im Nordkaukasus liegende autonome Republik von Russland (mit einer eigenen Amtssprache) – aber davon später mehr.

Begonnen hat der Folkclub diesmal – anders als sonst – mit einem kleinen Ensemble, in dem die Bläser in der Überzahl waren. Serendipity zeigten wie Blockflöte(n), Gitarre, Cajon und Didgeridoo einen fremd-vertrauten Klang in Dotty's Bar zaubern können. Die Gruppe bestehend aus Karin Schüler, Gerald Löhrer, Regine Perry-Mertens und Steve Perry spielte das Beatles-Lied "Fool on the Hill", ein schöner Beitrag zum Thema des Abends "Ungewöhnliche Kombinationen".

Danach aber wieder, wie gewohnt, die bekannte Eröffnungsstimme mit bluesigen Tönen von John Harrisson streckenweise unterstützt auf der Mundharmonika von Paolo Pacifico. Forderte er zuerst das Publikum mit dem Song „Hail! Hail! The First Of May“ zum Mitsingen auf, so brauchte er bei seinem zweiten Stück „Cocaine“ dies nicht mehr zu tun. Ob auf Deutsch oder im englischen Original, die bekannte Zeile „Cocaine, all around my brain“ wurde von fast allen mitintoniert. „Zeppelina“ ein Stück über eine Ente aus der Rheinaue schloss sich an und verdeutlichte, wie Lieder entstehen (die Ente machte es sich auf Johns Balkon bequem und Johns Tochter verpasste ihr den Namen Zeppelina, was wiederum John zu einem Lied anregte). Das nächste Stück barg neben großer Musikalität eine weitere Überraschung. John brachte ein neues Gesicht in den Folkclub. Eva Henneken, eine tolle Violinistin, suchte nach einem 5jährigen Aufenthalt in Neuseeland hier in Bonn den Anschluss an Musiker, und John brachte sie natürlich sofort in den musikalischen Verkuppelungsclub FCB. Dass dies eine gute Idee war zeigte, sich nicht nur in dem gemeinsam gespielten Song „Angel in Disguise“, sondern auch später, als Eva sich spontan auch mit Uwe Gillert und Band zusammentat.

Holger Riedel, der musikalisch mutige Felsen in der Brandung von Tönen hatte seinen zweiten Auftritt im Folkclub – und auch hier zeigte sich wieder einmal die soziale Qualität des FCB. Nicht nur, dass Holger ein Forum zum Ausprobieren seiner musikalischen Qualitäten bekam, nein, sein erster Auftritt mit Ukulele hat Holger der Musik wieder so nahe gebracht, dass er diesmal mit seiner, seit Jahrzehnten nicht mehr angerührten Gitarre kam. Aber zuerst einmal rezitierte er das Gedicht „Die Launen der Verliebten“ - und dies mit großem schauspielerischem Einsatz und Können. Die Zuhörer fühlten sich direkt in das Geschehene versetzt. Die Gitarre kam dann bei dem Lied „Eine Insel mit zwei Bergen“ in der Originalversion der Augsburger Puppenkiste zum Einsatz.

Cinnamon Trail, eine Indie Pop Gruppe aus Bad Honnef (Susanne Kress, Melanie Mädje und Dominik Gassen) eroberte als nächstes die Bühne. Mit Gitarre, Ukulele, Akkordeon und Klavier begleiteten die drei MusikerInnen ihre Cover Stücke „Closer to Fine“, „Out of the Weekend“ und „Baker Street“ - eine Reise von den Indigo Girls über Neil Young zu Gerry Rafferty wie die Kenner sofort bemerken dürften. Übrigens, die Cinnamon Trails sind auch Organisatoren eines weiteren musikalischen Session Ereignisses im Bonner Umland. Im alten Rathaus von Bad Honnef – im Basement – wird einmal im Quartal eine Akustik Session angeboten (allerdings wird dort die Akustik elektrisch verstärkt :-) )

Übergeben wurde die Bühne nun an Daria Kulesh, die, wie oben erwähnt, direkt aus dem Kaukasus kam (allerdings nach jahrelangem Zwischenstopp in Hope, einem englischen Minidorf (es stehen rechts und links ein paar Häuser an einer Straße, so John Harrisons Einführung), die Daria sich als ihren Lebensmittelpunkt gewählt hat. Begonnen hat sie mit einem „Inguschetischen Lied“ welches sie von ihrer Großmutter gelernt hat. Leider ist der Rekorder beim 91ten Folkclub ausgefallen, so dass euer Chronist keine Inhaltsangabe des Stückes machen kann (normalerweise hätte ich mich natürlich hingesetzt und eine Übersetzung aus dem Inguschetischen angefertigt). Aber schön und anrührend war das Lied, aus dem die viel beschworene russische Seele sprach. Mit „Those Were the Days“ betrat Daria dann wieder internationalen Boden und das gleich in vier Sprachen. Unnötig zu erwähnen, dass das sangesfreudige Publikum natürlich sofort mit einstimmte und aus dem Lied einen Chor machte. Daria versäumte dabei nicht, mitzuteilen, dass das Lied auf einer Melodie basiert, die aus Russland stammt. Auch bei dem mittelalterlichen Lied „The Witch“ durfte das Publikum nicht nur mitmachen, sondern musste dies sogar. Denn wie sollte Daria alleine das abergläubische Volk darstellen, welches mit dem Fingerzeig auf sich selbst die Anklage „The Witch“ proklamierte. Und diese „Anklage“ zeigt, dass viele ständige Zuhörer des Folk Clubs nicht nur musikalische, sondern auch schauspielerische Talente in sich haben. Den Abschluss der ersten Hälfte machte Daria mit einem eigenen Lied. Auch „The Hairdresser“ nahm das Publikum mit und wenn der Raum nicht eine gehörige Portion Frischluft benötigt hätte, wäre die Pause sicherlich verschoben worden. Um es vorweg zu nehmen: In der zweiten Hälfte kam Daria wieder und begeisterte weiter mit den Songs „Story of Tamara“, „The Panther“ und „Like a Snowflake on Your Chin“. Natürlich mussten Darias Wurzeln auch deutlich gemacht werden, was sie mit einem vertonten „Russischen Märchen“ und einer „Alten Russischen Widmung“ tat.

Nach der Pause wurde wieder ein Gedicht vorgetragen. Peter Deteren, diesmal auf dem Didgeridoo von Steve Perry begleitet, rezitierte den „Scarabäus“, ein Gedicht über Schönheit und Hochmut und natürlich über den Fall, der danach immer folgt.

Wie auch schon kurz erwähnt, erklomm nun der alte Folkclubbekannte Uwe Gillert mit Band (Udo Labig und Iben) die Bühne. Erweitert wurde diese Band ganz kurzentschlossen mit Eva Henneken, die sehr gekonnt, zurückhaltend, aber an den richtigen Stellen das Salz in die musikalische Suppe streuend eine echte Bereicherung war. Aber nun zum eigentlichen. Gewohnt mit sehr guter, auf zwei Gitarren abgestimmter Begleitung sang Uwe eigene Lieder – nämlich „Ein schöner Tag“, „Zeit“ und „Herbstlaub“. Alles sehr schöne Lieder, die noch mehr gewinnen würden, wenn sich Uwes Stimme ein wenig stärker gegen die Gitarren durchsetzen könnte.

Aber was sind solche Kleinigkeiten gegen die gute Stimmung und die Atmosphäre, die alle Musiker gemeinsam in den Folkclub zaubern und auch, wenn niemand auf das Ende des Folkclubs wartet, so streben doch alle auf den gemeinsamen Schluss zu Ehren des Patron des FCB hin. „Jock Stewart“ - ich weiß nicht, in wie vielen Versionen ich dieses Lied nun schon aufgenommen habe – aber ich höre mir jede Einzelne immer wieder gerne an.

Alle Begeisterung soll nicht davon ablenken, sondern eher darauf hinzeigen, dass nach dem Folkclub immer auch vor dem Folkclub ist. Also, out of the bedroom, go to Dotty's am 1. Juni, welcher ein Louisiana-Abend mit irischer Unterstützung durch Fil Campbell und Tom McFarland werden wird.

Mario


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