Mittwoch, 14. März 2018

Marios Bericht vom Folk Club Nr. 89 am 2. März 2018



Blumen, Flowers, fleurs – Frühlingsbote oder reine Hoffnung
Um es vorweg zu nehmen - der meteorologische Frühling zeigte sich als Winter. Die Farbenvielfalt der Blumen erschöpfte sich im Weiß der Eisblumen – aber nein, doch nicht ganz, denn Tulpen zierten die Tische und spielten auch im weiteren Verlauf des Folkclubs ein Rolle. Und natürlich lässt sich ein echter Folkie nicht durch Eis und Schnee abhalten, wenn es wieder heißt. Laaadiiies and Gentlemen....
Trotzdem waren die Reihen des Folkclubs gelichtet.Krankheit wütete sowohl bei den Künstlern wie auch im Publikum. Alle Special Guests hatten aus gesundheitlichen Gründen abgesagt, weshalb der 89. Folkclub eine Singers’ Night wurde. Die jedoch hatte es in sich. Wie schon gesagt ein Folkie lässt sich nicht durch Schnee und Eis abhalten, und so gelang es unserem Programmdirektor Steve Perry ein tolles Programm auf die Beine zu stellen oder auch an die Instrumente zu bringen.
Den Einstand machte wie immer unser Zeremonienmeister John Harrison, der nicht nur musikalisches, sondern auch poetisches zu Gehör brachte. Mit dem Gedicht über die Narzissen „I Wandered Lonely as a Cloud“ von William Wordsworth pries John die Schönheit der Osterglocken (Daffodils) und beschrieb, wie sehr die Seele aufgeht, wenn die wogenden Wellen der gelben Blumen betrachtet werden. Mit dem durch viele Musiker interpretiertem Blues von Robert Johnson „From Four Until Late“ ging es dann weiter. Beschreibt dieses Lied noch, dass es ein Ritt von 36 Stunden von Norfolk to Memphis ist, ließ das nächste Lied die Zeitangabe mehr oder weniger völlig weg und beschrieb die Tagebucheinträge einer ganzen Woche. „Stormy Monday“ ist der erste Tagebucheintrag - wie es weitergeht, lässt sich schnell mit der zweiten Zeile des Liedes abschätzen „But Tuesday Is Just as Bad“. Nun, für John ging es gut weiter, denn der Applaus zeigte, dass sein Bluesspiel auf der Gitarre immer wieder gut ankommt. Den Schluss seines Floorspots setzte John mit dem sehr nachdenklich stimmendem Gedichtzyklus „Poppies“ ("The Soldier" von Rupert Brooke; "In Flanders Fields" von John McCrae; "Dulce et Decorum Est" von Wilfried Owen). Die Mohnblume oder Poppy ist ein Mahnzeichen für die vielen tausenden Toten des ersten Weltkrieges. Vorher dort nicht angesiedelt, blüht diese Blume auf den ehemaligen Kriegsfeldern inzwischen zu tausenden. Fast könnte man meinen, dass jedes Jahr für jeden Toten eine neue Blume entsteht. So ist die Mohnblume als Mahnmal gegen den Krieg entstanden.
Weiter ging es mit Blumen, die auch im nächsten Lied von Mario Dompke - „Blüten sind rot“ - nicht als Symbol für Schönheit, sondern für Einschränkung und Intoleranz stehen. Das ursprünglich von Harry Chapin geschriebene und von Mario ins Deutsche übersetzte Lied beschreibt, wie durch stetes Beharren auf gesellschaftliche Konventionen der Kindheit und Jugend jegliche Phantasie genommen wird – so entstehen angepasste, leicht zu lenkenden Bürger.
Nun erklangen Klaviertöne. Die vierzehnjährige Alexa zeigte zusammen mit ihrem Lehrer Barry Roshto, was mit vier Händen aus einem Klavier herauszuholen ist. Das dann auch noch in Verbindung mit Gesang, ließ nicht nur die Herzen höher schlagen, sondern machte auch Mut darauf, wieder einmal Nachwuchskünstler gehört zu haben, die zukünftig das Repertoire des Folkclubs anreichern werden.  Die beiden Songs „It will Rain“ und „When I was Your Man“ von Bruno Mars machten mit Sicherheit Appetit auf mehr.
Nun wurden erst mal alle Instrumente zur Seite gelegt und Dieter Faring zeigte, dass auch Gedichte zur Folklore gehören. Mit seinem Frühlingsmedley „Der Schmetterling“, „Verweile doch, du bist so schön“, „Der Igel ist, das wissen wir, ein Stacheltier“, Fridolins Frühlingsnacht“ und dem „Frühling im Klassenzimmer“ zeigte er, welche Kraft in der Poesie liegt, welcher Humor in Reime gesetzt werden kann und welche Lebensweisheiten doch über die schöne Sprache transportiert wird. Genau bei diesen Lebensweisheiten setzte er mit seinem nächsten Gedicht an, wofür ihm Lothar Prünte alias ELPI „Modell“ stand. „Die Frühlingsmücke“ wurde sauer, als Lothar versuchte, selbige zu vertreiben bzw. zu erschlagen und stach den armen Tropf. Erst nachdem dieser das Fenster geöffnet hatte, flog die Mücke fort, denn auch sie liebt die Freiheit über alles. Und weil Freiheit wirklich in allen Lebenslagen richtig ist, wurden die letzten Gedichte „Frühling in Amsterdam“ und „Warnung vor dem One Night Stand“  nun ein wenig frivol. Bei dem Altersdurchschnitt im Folkclub ist das nicht schlimm – eher ein Test, wer sich noch erinnert.
War Lothar doch ein so geduldiges Requisit für Dieter, dürfte er nun auch noch mit seiner unnachahmlichen Stimme und seiner Gitarre wieder etwas Melodiöses zum Besten geben. Als Premiere war zu bezeichnen, dass er im Folkclub zum ersten mal ein selbst komponiertes und getextetes Lied vortrug. „Frühlingsnacht“, so sein eigene Aussage, ist ein Lied, welches zwar schon ziemlich alt ist, als Liebeslied aber recyclebar. Mit dem Stück „Kiss from a Rose“ von Seal tauchte ELPI wieder in sein eigentliches Genre ab.
Wer sagt eigentlich, dass das Publikum sich in reinem Konsum ergehen darf? - Niemand und deshalb wird auch immer wieder darauf geachtet, dass mitgesungen wird. Steve Perry setzte noch eins drauf und veranstaltete ein Quiz. Die „Weltreise im Dreiviertel Takt“ wanderte durch 10 Länder dieser Erde. Wer die meisten der Länder erkannte, bekam einen Blumenstrauß. Schon bei 7 erkannten Ländern war der erste Preis erreicht. Den Sonderpreis bekamen die Passionate Penguins, die das Deutsche Lied in die Arktis transportierten.
Noch einmal gemeinsam einen Kanon singen, bevor es in die Pause geht – das war das Mitto von Steve, Regine, Anke und Jörg und so wurde mit „I Like the Flowers“ die Liebe zu Blumen von allen Anwesenden besungen.
Pausen sind wichtig und schön, aber noch schöner war es, als die zweite Hälfte des Folkclubs wieder begann. Wieder mit Klavierklängen und einem extrem ausdrucksstarkem Gesang von Barry Roshto und Ruth. Mit dem Uriah Heep-Titel „Rain“ und danach der Hymne „Time“ von Tom Waits zeigte Ruth nicht zum ersten Mal, was in ihren Stimmbändern steckt. Zu Barrys professioneller Klavierbegleitung ergänzten sich die beiden wunderschön im zweistimmigem Gesang. Eine Darbietung, die bereits jetzt die Vorfreude auf das nächste Mal weckt.
Draußen hatte inzwischen der Schnee sein Werk getan, doch drinnen blinkten die Sterne. Auch „Sparkling Light“ alias Karin Schüler und Gerald Löhrer sind spontan eingesprungen, um den Abend zu einem Gesamtkunstwerk zusammen zu schmieden. Mit dem französischen Lied „M’envoyer des fleurs“ von Sandrine Kiberlain zeigten sie, dass Blumen halt in allen Ländern und Sprachen den Frühling einläuten und gute Laune verbreiten.
Anke und Jörg Bohnsack waren ja zuvor schon mit Regine und Steve auf der Bühne gewesen. Nun zeigten sie aber auch noch, was in ihnen als Duo steckt. Anke beim Musizieren zuzuschauen ist ein Genus für sich. Ein Energiebündel, welches jeden Moment zu explodieren droht und doch immer im richtigen Takt und Rhythmus bleibt. Jörg dabei ein ruhender Pol, der jedoch nicht weniger mit der Musik mitgeht. Und alles zu bekannten Liedern, ja beinahe schon Gassenhauern. „Anneliese“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ und „Side by Side“ sind alles Lieder, die wohl jeder im Publikum mitsingen kann - mal mit Text, mal mit „la, la“.
Als letzter Act des Abends kamen die Passionate Penguins. Diese siedeln sich ja selbst (und nicht nur das deutsche Lied) in der Arktis an. Wer aber glaubt, dass sie unterkühlte Musik machen, der irrt. Ganz im Gegenteil - beruflich eingespannt in dem Bemühen, den Klimawandel zu verlangsamen - machen sie in der Musik genau das Gegenteil. Sie lassen Eis schmelzen, sie heizen ein und schaffen neue Atmosphären. „Something Going Down“ wurde noch relativ alleine von den Künstlern gesungen. Bei „The Night They Drove Old Dixie Down“ war dann bereits das ganze Publikum dabei. „Living for the Night“ und „The Circle is Small“ rundeten das Programm ab. Aber zuende war es doch noch nicht. Erst nach der Zugabe „Baby, Stop Crying“ von Bob Dylan durften die Pinguine die Bühne verlassen.
Diese wurde dann aber schnell von dem „Überraschungsgast“ John Hurd wieder besetzt. Überraschungsgast schon deshalb, weil er die Absage von Kathy Freeman nicht akzeptiert hat – wollte er sich doch das Lied „Tattered Flag“ wünschen – und nun gemeinsam mit John Harrison eben dieses Stück spielte. Ein Lied, dass vom Brexit handelt und mit der Zeile „England doesn't love me anymore“ wohl den gesamten Text zusammenfasst. Aber ich habe das Lied vorweg genommen. Zuerst brachte John noch für das Motto des Abends das Stück „Wildflowers“ von Tom Petty, auch als Erinnerung an dessen Tod und gleichzeitig als Geburtstagsständchen für Rory Gallagher, der eben am 2. März 70 Jahre geworden wäre (Rory starb bereits 1995).
Was für ein Abend, trotz aller Krankheitsausfälle und widrigen Witterungsumstände. Da konnte der Patron Jock Stewart nicht anders, als auch an diesem Abend zu versichern „I'm a man you don't meet every day“.
Aber alle Begeisterung soll nicht davon ablenken, sondern eher darauf hinzeigen, dass nach dem Folkclub immer auch vor dem Folkclub ist. Also, out of the bedroom, go to Dotty’s am 6. April.

Mario


4 Kommentare:

  1. Leider etwas "Fake News" Mario!
    Es gab kein Gedicht namens"Poppies".
    "Poppies" war Prose und ein Sammelbegriff für mehrere Erzählingen, Gedichte und teil-Gedichte wo Mohnblümen eine wichtige Rolle spielten. Davon habe ich drei Gedichte gänzlich vorgetragen:
    "The Soldier" von Rupert Brooke 1914
    "In Flanders Fields" von John McCrae 1917
    "Dulce et decorum est" von Wilfied Owen 1918

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  4. Wer Lust auf Mehr hat ist herzlich eingeladen am
    OsterSonntag ab 10:00 Uhr
    im Kölner Café Libresso
    Fleischmsnnsgasse 29
    (nahe U Bahn Neumarkt)
    zu unserem
    "Lyrischen Oster Frühstück mit Ringelnatz und Co."
    Einige von Lothars Frühlingsliedern können wir mitsingen.
    Ich freu mich auf Euch.
    Herzliche Grüße von Dieter

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