Freitag, 4. März 2016

Detlefs Bericht über den Folk Club Nr. 66 am 5. Februar 2016


Folk Club am 5. Februar 2016 – Freiheit für den Folk Club

Welches Thema könnte besser zum Folk Club passen als „Freiheit“? Und natürlich passt es besonders in die Thematik unserer Tage, sind doch Millionen Menschen  aktuell ganz augenfällig auf der Suche nach Befreiung von allen möglichen Formen der Bedrängnis, die sie jeden Tag erfahren und nehmen bei ihrem Bemühen, diese Freiheit zu finden, schier unvorstellbare Gefahren in Kauf. All dies findet mitten in der heißen Phase des rheinischen Karnevals statt, der in seinem Wesen auch eine Form der zeitweiligen Befreiung von Zwängen des Alltags darstellt und in der autoritären Zeit früherer Jahrhunderte auch ein Mittel des Protests gegen die Obrigkeit war. Von Karneval war beim Folk Club allerdings recht wenig zu spüren, über Freiheit gab es hingegen viel zu hören.
Den Anfang machte unser Protagonist John Harrison mit dem selbstverfassten Lied „Garden Gnomes“ (Gartenzwerge), das er für die drei eingesperrten „Whistleblower“ Edward Snowden, Bradley/Chelsea Manning und Julian Assange aus der Konserve geholt hat. Das Lied hatte John bereits in den siebziger Jahren – wie man sagt, des vorigen Jahrhunderts – geschrieben. John ist nun mal seiner Zeit voraus. Die drei Gartenzwerge in seinem Lied haben es sehr schwer und träumen davon, mal raus zu kommen, um eine Gartenzwergband zu gründen. John wird von Paolo Pacifico auf der Mundharmonika begleitet, der mit einem tollen Solo glänzen darf.
Etwas traditioneller ging es zu beim klassischen Blues „Rambling“ von Robert Johnson, bei dem das Zusammenspiel von John und Paolo wunderbar harmonierte und beide tolle Soli auf ihren Instrumenten ablieferten. John wäre nicht John, hätte er nicht noch ein besonderes Schmankerl im Gepäck. Rudyard Kiplings wunderbares Gedicht „If“, das ein unsterbliches Vermächtnis des Vaters an seinen heranwachsenden Sohn darstellt trug er in einer a capella gesungenen Version vor – herzerwärmend! – toller Applaus für John und natürlich auch für Paolo.
John Hurd, der regelmäßig über den Folk Club in seinem englischsprachigen Internetmagazin 3SongsBonn berichtet, griff selbst zur Gitarre und brachte dem vor kurzen verstorbenen David Bowie ein Gedenkständchen. „Heroes“ war sein schöner Beitrag.
John Harrison hatte die Gelegenheit ergriffen, das Thema des heutigen Tages mit einem etwas ungewöhnlichen Beitrag von Christian Storm, dem Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ im Haus Müllestumpe anzureichern. John hatte Christian gebeten, dem Folk Club-Publikum einmal einen kurzen Einblick in seine Arbeit und in das Projekt des betreuten Wohnens für behinderte Menschen zu geben. 2012 konnte der Verein Haus Müllestumpe zwölf Wohnungen für Menschen mit Behinderungen bereitstellen, die bei Bedarf in ihrem Tagesablauf unterstützt werden. Die Einrichtung schafft für die behinderten Menschen die Möglichkeit für ein Leben in Freiheit und weitreichender Selbstbestimmtheit. Das Haus Müllestumpe bietet den Bewohnern zudem eine Beschäftigungsmöglichkeit im Hause. Christian, jetzt Rentner mit viel Energie, Ideen und Idealismus stellt als Geschäftsführer ehrenamtlich sein organisatorisches Know-how und sein Engagement für diese tolle Sache zur Verfügung. Riesenapplaus für Christian Storm und das Haus Müllestumpe.
Anders, aber nicht minder ungewöhnlich, war das musikalische Experiment das unser Filmemacher Janero del Rosario anschließend wagte. Das Publikum wurde eingestimmt auf ein Medley mit mehreren Melodien, die aufeinander gestapelt wurden: „Whatever“ von Oasis, „Octopus’s Gardens“ von den Beatles und „All the Young Dudes Carry the News“ von David Bowie. Das Publikum bewies einmal mehr seine musikalischen Qualitäten, und das Experiment klappte super – Bravo Janero, das macht Spaß.
Gerd Schinkel, unser unverwüstliche Barde, hatte natürlich zum Thema Freiheit auch ein Lied im Gepäck. Diesmal bediente er sich der Melodie von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“. Dem Lied hatte Gerd einen deutschen Text mit Road-Movie-Inhalt gegeben. „Freiheit hat nur der, der weiß, er kann nichts mehr verlier’n“ lautet der Refrain. Wie sich die Ansichten und Aspekte zur Freiheit seit Martin Luther („Von der Freyheith eines Christenmenschen“) doch verändert haben. Applaus für Gerd, dem immer etwas einfällt und der seine thematischen Ideen mit teils eigenen, teils entlehnten Melodien, gekonnter Gitarrenbegleitung und stimmlicher Brillanz präsentiert
Ein neues Gesicht präsentierte sich den Folk Club-Jüngern mit Dennis Ledermann, der schöne, selbstgeschriebene Lieder vorstellte. „The Old Me“ handelt von Grenzen im eigenen Kopf, „3000 Meilen weg“ beschreibt die Liebe, die bleibt, auch wenn man weit voneinander entfernt ist und „Oh Baby“ besingt die Schwierigkeiten, die ein Mann mit seiner schönen aber kapriziösen Freundin hat und von der er zur Weißglut getrieben wird. Kompliment an Dennis für seine einfallsreichen Lieder mit interessanten Melodien und zudem für seinen selbstbewussten Vortrag mit voluminöser und intonationssicherer Stimme. Schade nur für die Texte in englischer Sprache, dass sie für die meisten Zuhörer hier im Saal unverständlich blieben. Euer Chronist versteht es nicht oder will es nicht verstehen, warum so viele unserer deutschen Verseschmiede ihre Muttersprache für Lieder aus eigener Feder verschmähen. Es kann doch nicht an der Hoffnung liegen, mit Englisch ein größeres Publikum zu erreichen.
Uwe Gillert und Sohn Max konnten ihr tolles Zusammenspiel dem Publikum präsentieren. Ihr Repertoire bestand aus drei hörenswerten Stücken aus der alten Blues-Schule und machten mit T-Bone Walkers „She’s my Old Time Used to be“ den Anfang. Das Publikum konnte ein wunderbares Zusammenspiel zwischen den beiden Gitarren und schöne Soli und Vater Uwes markanten Gesang bewundern. Auch Eric Claptons „Before You Accuse Me“ erntete tollen Applaus. Ein viel beklatschtes Solo von Max gab es bei Peter Greens (Fleetwood Mac) „I Loved Another Woman“. Perfekt ausgesuchte Blues-Stücke, schönes Zusammenspiel, wunderbare Solos – Herz was willst du mehr – ein großes Bravo an die beiden.
Der Featured Artist (kennt jemand einen passenden deutschen Ausdruck dafür?? – ich gebe beim nächsten Folk Club dem Erfinder ein Getränk aus) des Abends, David Blair aus Kanada, hatte kurzerhand seine Landsfrau Jessica Alossery mitgebracht, die ebenfalls in Deutschland unterwegs ist und überließ ihr vor der Pause weitgehend die Bühne. David und Jessica hatten sich mehr oder weniger zufällig in London getroffen, obwohl sie sich schon zuvor über das Internet kennen gelernt hatten.
Mit ihrer Eigenkomposition „You Are the Apple of My Eyes“ stimmte Jessica das Publikum direkt auf sich ein. Trotz – oder vielleicht sogar wegen – ihrer etwas leisen Stimme war es sofort ruhig im Saal und alle konnten Jessicas gefühlvollen Gesang zu sparsamer Gitarrenbegleitung genießen. Leonhard Cohens „Hallelujah“ ist in einer solchen Stimmung genau die richtige Fortsetzung. Das Publikum nahm es dankbar auf und revanchierte sich mit bezauberndem Begleitgesang – Der Folk Club sollte einen Chor aufmachen. „Bare Feet“ lautete der Titel eines neuen Liedes von Jessica. Es dreht sich um Leute, die auf der Straße leben – In Kanada in Winterzeiten sicher eine schreckliche Vorstellung, dennoch tanzt die besungene Person.
Gemeinsam sangen Jessica und David dann vor der Pause das Lied von David Grammer „Honey I’m Good“, eine wunderbare Basis für die beiden schönen Stimmen.
Nach der Pause bevölkerte zunächst die Gruppe Zaiten-Pfeiffer aus Windeck an der Sieg die Bühne. Mit sechs Personen brachten sie richtig Schwung in die Bude. Die Gruppe besteht aus Frank Christgen (Gitarre/Gesang), Richard Wegmann (Klarinetten und Flöte), Willi Fichtel (Gesang, Flöte und diverse Saiteninstrumente), Norbert Schuster (Kontrabass), Christoph Nigg (Drehleier, Mandoline) und Monika Pleschka (Gesang). Die Gruppe, die bereits vor einem Jahr im Folk Club aufgetreten war, hatte sich thematisch super auf den Abend eingestellt: „Freiheit“ von Georg Danzer beschreibt ironisch wie die Freiheit sofort verschwindet, wenn man ihrer habhaft werden will – herrlich hintersinnig. „Wenn ich einmal der Herrgott wär“, das ursprüngliche Sauflied mit der Melodie von Karl Binder und dem Text von Eduard Amthor hatte von Zupfgeigenhansel einen neuen Text mit eher revolutionärem Inhalt bekommen, den Zaiten-Pfeiffer nun einsetzte. „Auf See“ (Frei, wie der Wind) von Santiano passt natürlich auch in die Thematik – Das Publikum gerät bei dem mitreißenden Lied in Wallung. „Ade Mein Lieb“ ist ein ursprünglich von Robert Burns geschriebenes Lied mit einem ins Deutsche übertragenen Text. Monika konnte hier ihre schöne Solostimme hören lassen. Für alle Freunde des rheinischen Idioms gab es zum Schluss noch von De Höhner „Wann jeht de Himmel widder op“ – ein Beitrag zur Flüchtlingsthematik. Riesenapplaus für die Sechs, die das Publikum restlos begeisterten.
Neu im Folk Club war Philipp Ossen aus Köln, der zwei eigene anrührende Lieder beisteuerte: „Die rote Uhr“, auf dem Klavier begleitet, beschreibt ein Erlebnis mit seiner Oma, die im Sterben lag und deren  rote Uhr ihm nun als Symbol für die Vergänglichkeit dient. „Wenn der Zeiger nicht mehr wandert, bist du endlich frei“ lautet eine Zeile. „Das kleine Licht“ – mit Begleitung auf der Gitarre – besingt witzig und doch nachdenklich die Probleme von Menschen, die niemand wahrnimmt. Egal was sie tun, es geht schief oder es wird von anderem überstrahlt. Philipp, du meinst doch nicht wirklich dich selbst, oder? Das Publikum ist jedenfalls angetan und fordert ein Zugabe. Philipp singt „Little Lionman“ von Mumford & Sons. Recherche im Internet ergibt in den amerikanischen Quellen gleich den prüden Hinweis auf „explicit language“, also schmutzige Ausdrücke mit meist vier Buchstaben („f..k“ usw. für alle, die nicht wissen, was gemeint ist). Gott sei Dank gibt es im Folk Club keine schrillen Piepser, die die unliebsamen „Stellen“ übertönen wie im amerikanischen Radio.
Stimmgewaltig, mit Gäsehautfaktor und schönem Timbre präsentierte sich Janine Schneider-Gündel aus Wesseling mit ihrem selbst geschriebenen Lied „Lead Me Home“, wunderbar einfühlsam auf der Gitarre begleitet von ihrem Mann Sascha – eine tolle Entdeckung für den Folk Club. Vielleicht dürfen wir die beiden, die sich „Second Movement“ nennen, einmal wieder im Folk Club begrüßen.
Zum Thema des Abends ließ es sich dann unser Mitstreiter Steve Perry nicht nehmen, noch eines seiner schön-schmalzigen Cowboylieder beizutragen: Ian Tysons „50 Years Ago“ – herrlich.
Zum Abschluss des Abends und nach langer Zeit geduldigen Wartens spielte David Blair bekannte und neue Lieder aus seinem Repertoire. Und wie bereits bei seinem umjubelten Auftritt vor genau einem Jahr bannte er das Publikum mit seinem Witz, seiner stimmlichen Präsenz, dem gekonnten Gitarrenspiel und seinen einfach schönen Liedern. „This is the Soundtrack to Our Conversation“, „Say No“, „When I Think of You“, und „Stronger, Higher, Faster“ lauteten die Liedtitel aus eigener Feder. Zum Schluss gab es noch als Zugabe Gänsehaut pur mit dem unsterblichen Lied von Louis Armstrong „What a Wonderful World“. David ist ein wahrer Edelstein und wir können ihm und seine Entdeckung Jessica Alossery mit ihrer Musik nur viel Erfolg wünschen. Kompliment auch an David für seine erfolgreichen Bemühungen mit der deutschen Sprache.
Nun, das Publikum und – euer Chronist ist davon überzeugt – auch die Musiker waren wieder vollgepumpt mit den allseits beliebten Glückshormonen und verabschiedeten sich wie immer mit dem traditionellen Rausschmeißer „Jock Stewart“.
Auf Wiedersehen am 4. März bei einem Abend u.a. mit der US-Amerikanerin (die momentan in Berlin lebt) Lauren Napier und dem Thema „Himmelskörper“. Wir sind wie immer gespannt und dürfen uns auf einen schönen Abend freuen.

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