Donnerstag, 8. September 2011

Detlef's Bericht vom FC 19 -
2. September 2011

Fußball gegen Folk Club im September – 1:1

von Detlef Stachetzki

Der Folk Club hat es schon schwer. Im August musste er gegen gutes Wetter und Bundesligaeröffnung konkurrieren. Bei der aktuellen Septembersession war das Wetter ebenfalls biergartenmäßig, und zu allem Überfluss spielten die Fußball-Nationalmannschaften Deutschlands und Österreichs um die EM-Qualifikation. Das Ergebnis war ein glattes Unentschieden – nicht beim Fußball, sondern beim Duell Fußball gegen Folk Club. Der kann selbst bei Länderspielen seine treuen Gefolgsleute motivieren. Da der Fußball das aber auch konnte, war es nicht ganz so voll wie gewöhnlich, aber nicht minder interessant und hörenswert.

Diesmal eröffnete kein markerschütternder Schrei aus Master Johns gutgeölter Kehle den Abend (er hatte die zweiwöchige Kur mit lauwarmer Cervisia auf der heimatlichen Insel erstaunlich gut überstanden), nein, Co-Master Barry Roshto übernahm das Begrüßungsritual mit erheblich leiseren Tönen. Leider musste der Arme wegen einer Armverletzung den weiteren Abend auf der Bank verbringen und schickte stattdessen seinen Ersatzspieler aufs Feld – dazu später.

John Harrison bewies beim Warm up erneut, dass er einen Bildungsauftrag verspürt, den er mit Charme und Charisma und stimmgewaltig obendrein erfüllt. Diesmal war der schottische Nationalheld Bonnie Prince Charlie Gegenstand der kleinen musikalischen Geschichtsstunde, die John mit dem a Cappella gesungenen Gedicht „Charlie is my Darling“ von Robert Burns eröffnete. Robert Burns ist ebenfalls eine schottische Lichtgestalt, deren Gedichte im Folk Club bereits des öfteren zu hören waren. Den glücklosen schottischen Stuart-Prinz, dessen Armee von den „bösen“ Engländern bei Culloden abgeschlachtet wurde, besang John auch in seinem letzten Lied dieses Auftritts mit dem Titel „Over the Sea to Skye“. Heute hätten Charlie und seine Retterin auf der Flucht, Flora McDonald, nicht mehr über die raue See zu rudern brauchen. Eine ganz unromantische Brücke verbindet das „Festland“ jetzt mit der wilden und schönen Hebrideninsel. Zwischen den beiden Liedern über den Nationalhelden, gab es mit „The Manchester Rambler“ von Ewan McColl noch einen sozialkritischen Aufrüttler aus den dreißiger Jahren: “I may be a wage slave on Monday, but I am a free man on Sunday”. „Keep your Hands off her“ von Altmeister Leadbelly alias Huddie Ledbetter brachte dagegen mit seinem erfrischenden Rhythmus die Zuhörer in sanfte Bewegung.

Gerhard Sonnenberger, der das erste Mal im Folk Club auftrat, sorgte mit „Dat is Liebe“ für ein wenig fröhliches rheinisches Lokalkolorit im Saal. Auch „Seit du da bist“ von Hannes Wader und das Lied „Sing, sing sing“ wurden mit viel Beifall aufgenommen.

Unser alter Bekannter Lothar Heinrich, der eigentlich zusammen mit Peter Phlips angekündigt war, meisterte seinen Part auch allein mit Bravour und legte gleich mit „Sea of Heartbreak“, dem durch Johnny Cash bekannt gewordenen Country-Song, los und brachte richtig Stimmung in die Meute. Seine Liebe zur Country-Music bewies er zudem mit „Welcome Home Native Son“ von Bobby Bare. Bei Brenda Lees Lied „End of the World“ konnten alle sich so richtig ihren Gefühlen an die sechziger Jahre hingeben. Eine weitere Anleihe an die Sechziger war Lothars letztes Lied vom „Man Who Shot Liberty Valance“, einst unvergleichlich von Gene Pitney interpretiert.

Einen ersten Höhepunkt des Abends bescherten uns die Special Guests Stefanie Hölzle und Daniel Marsch aus Hückeswagen, die als Duo „Tangoyim“ das Publikum verzauberten. Mit ihren überwiegend jiddischen gesungenen Klezmer-Liedern entführten sie uns in eine ferne und vergangene Welt der jüdischen osteuropäischen Schtetl. Beide begeisterten mit ihrer Musikalität, ihrem virtuosen und fast schwerelosem Spiel auf mehreren Instrumenten (Stefanie mit Geige, Bratsche und Klarinette; Daniel mit Akkordeon und Geige) und ihrem ausdrucksvollen und intonationssicheren Gesang. „Der Gassensinger“, „Der Filosof“ „Vu bistu geven (wo bist du gewesen)“ waren einige der vorgetragenen Lieder. Dazu gab es mehrere Instrumentalstücke, ein Lied aus Mazedonien und ein Zigeunerlied in französischer Sprache.

Der Chronist empfiehlt allen, sich die Internet-Präsenz von „Tangoyim“ mit vielen Musikbeispielen und stets aktuellen Auftrittsankündigungen anzuschauen (www.tangoyim.de). Ein Besuch bei einem der zahlreichen Konzerte der Gruppe auch in unserer Nähe lohnt sich mit Sicherheit!

In die besondere Atmosphäre des Abends fügte sich der Auftritt von Barry Roshtos Frau Christiane an der Geige (viele Geigen heute!), die zusammen mit ihrem Sohn David am Klavier (Barrys Ersatzspieler, siehe oben) spielte, nahtlos ein. Die beiden spielten eine Reihe von Instrumentalliedern, darunter einige Renaissance Stücke, Musik aus dem Irland des 18. Jahrhunderts, eine Instrumentalversion des Ragtimes „Turkey in the Straw“ und der Irish Reel „Drowsy Maggie“ – eine schöne und von beiden mit viel Gefühl vorgetragene Abwechselung.

Unser Spezialist für Musik, die ans Herz geht und ein wenig bis sehr traurig ist, Thomas Steffens, hatte danach wieder einige Schmankerl für uns bereit. Dank der verteilten Refrainzettel gab es fürs Publikum die lang ersehnte Gelegenheit, bei einigen Liedern mitzusingen. Das Dubliners-Lied „Liverpool Lou“, von der Melodie her auch vielen mit dem Titel „Hamburger Deern“ bekannt, machte den Auftakt, immerhin ging es hierin „nur“ um Liebesleid. Mit Mark Knopflers „Madam Geneva“ stieg er dann tiefer hinein in die Welt menschlichen Elends („keeping the demons at bay“). Bei „Eleanor Rigby“ sang der Saal mit, aber ob allen die deprimierende Botschaft der Sinnlosigkeit bewusst war, die das Lied vermittelt („no one was saved“)? Musikalisch war das Lied, von Thomas auf eine besondere Weise interpretiert, eine glatte Offenbarung. Sir Paul hätte seine helle Freude daran – wir sollten ihn mal einladen – er kriegt auch Freibier allerdings keine lauwarme Cervisia! Die Fortsetzung des Reigens der Schwermut machte er mit „Her Father Didn’t Like me Anyway“ vom seligen Gerry Rafferty.

Eine kleine Überraschung (sogar mit positiver Stimmung) zum Abschluss brachte er mit dem Plattdeutsch gesungenen Lied „Fresenhof“ von Knut Kiesewetter. Manch einer suchte krampfhaft zu ergründen, welche Sprache da gerade zu Gehör kam.

Zum Abschluss des Abends gesellte sich Ecki Schwandke mit seiner Geige zu Stefanie Hölzle und Daniel Marsch und bildete mit ihnen das Trio „World Wide Fiddlers“, wie es John nannte. Die drei machten mit uns eine musikalische Folklore-Reise über Schweden, den Süden der USA, Rumänien, Ungarn und Bayern. Als Mitbringsel aus dem Land mit dem weiß-blauen Himmel brachten sie unserer verdutzten Wirtin ein besonderes Ständchen mit der Ankündigung „Frau Wirtin entschuldg’n Sie, oba mir zoin net“, worauf ein hilfreicher Folk Club Enthusiast den Dreien sofort eine Runde ausgab..

Nach so viel Bombardement mit musikalischen Glanzlichtern fiel es zwar ein bisschen schwer, den Abend zu beschließen, aber mit einem besonderen „Jock Stewart“, dem traditionellen Abschiedslied, ging es dann doch einigermaßen. Das Besondere war diesmal, dass John in unbekannter, weil beliebiger Tonart loslegte, die Profis an Akkordeon und Gitarre aber nach wenigen Takten die Tonart „raus hatten“ und eine besonders gefühlvolle und zarte Begleitung hinlegten – ein Genuss! Wir freuen uns auf eine Wiederholung!

Auf Wiedersehen beim nächsten, dem zwanzigsten, Folk Club am 7. Oktober 2011.

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